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Paukenschlag in Antisemitismus-Debatte

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Einer FU-Dozentin wird Antisemitismus vorgeworfen. Jetzt entlasten zwei Gutachten die Beschuldigte – doch die Debatte ist dadurch nur schärfer geworden. Felix Lorber berichtet.

Roldán Mendívil (2.v.r.) bei der Podiumsdiskussion am OSI. (Foto: Felix Lorber)

Eleonora Roldán Mendívil (2.v.r.) bei einer Podiumsdiskussion am OSI. (Foto: Felix Lorber)

Fast ein halbes Jahr, nachdem am Otto-Suhr-Institut (OSI) der FU eine Dozentin des Antisemitismus beschuldigt wurde, ist das Ergebnis zweier Gutachten zu den Vorwürfen bekanntgeworden. Die Analysen des ehemaligen Leiters des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) der TU Berlin, Wolfgang Benz, kommen zu dem Schluss, dass sich Eleonora Roldán Mendívil auf ihrem privaten Blog nicht antisemitisch geäußert hatte. Dies verriet der emeritierte OSI-Professor Hajo Funke bei einer Podiumsdiskussion über Antisemitismus am vergangenen Montag.

Gutachten werden nicht veröffentlicht

Die OSI-Leitung in Person des Professors Bernd Ladwig hatte Wolfgang Benz mit der Prüfung der Vorwürfe beauftragt. Nach FURIOS-Informationen analysierte der Antisemitismusexperte in je einem Gutachten die Lehrtätigkeit Roldán Mendívils und die Äußerungen auf ihrem privaten Blog. Veröffentlicht werden die Gutachten nicht, da sie personenbezogene Daten enthalten, argumentiert das Rechtsamt der FU. Roldán Mendívil schrieb auf Anfrage von FURIOS lediglich, die Gutachten seien nun „Grundlage der weiteren Verständigung mit dem Institut“.

Dass die Tendenz der Gutachten überhaupt bekannt wurde, war daher eher dem Zufall geschuldet. Roldán Mendívil war am Montag Teil einer Diskussionsrunde über Antisemitismus und kontroverse Wissensproduktion. OSI-Professorin Cilja Harders fungierte als Moderatorin, Podiumsgast war neben Hajo Funke auch der israelische Historiker Gadi Algazi.

Funke lässt die Bombe platzen

Bernd Ladwig, der bei der Veranstaltung im Publikum saß, forderte Roldán Mendívil mehrfach vergeblich auf, ihre umstrittenen Äußerungen über den Staat Israel zu wiederholen, oder sie zurückzunehmen. In einer Stellungnahme im Namen des OSI hatte er bereits im Januar deutliche Kritik geübt. Doch Ladwigs Verhalten während der Diskussion missfiel Hajo Funke derart, dass er schließlich das Ergebnis der Gutachten aussprach, um Roldán Mendívil in Schutz zu nehmen. Funke riet zudem dazu, die Gutachten zu veröffentlichen. Das Publikum war von Funkes Vorstoß sichtlich überrascht, die Diskussion verschärfte sich in der Folge.

Auch von Gadi Algazi bekam Roldán Mendívil Unterstützung. Der Professor von der Universität Tel Aviv warnte vor einer „Denunziation verschiedener Formen der Israelkritik als Antisemitismus“ und dem „Mundtotmachen innerisraelischer Kritik“ an der eigenen Regierung. Deutschland habe eine Verantwortung gegenüber den Juden, aber genauso auch gegenüber den Palästinensern.

Dozentin kann „theoretisch Lehraufträge erhalten“

Roldán Mendívil selbst verteidigte ihre grundsätzliche Position. Antisemitismus definierte sie als Form des Rassismus, der in letzter Konsequenz im Kapitalismus begründet liege. Zudem äußerte sie den Wunsch nach einer Rückkehr in die Lehrtätigkeit am OSI. Bernd Ladwig hatte im Vorfeld der Veranstaltung gegenüber FURIOS bestätigt, dass Roldán Mendívil „theoretisch Lehraufträge erhalten“ könne, „wenn sie einen Masterabschluss vorzuweisen hat“ – das ist bislang nicht der Fall.

Im Zuge der Debatte um Roldán Mendívil hatte das OSI die formale Voraussetzung eines Masterabschlusses erst eingeführt. In jedem Fall stehe es aber den einzelnen Lehrbereichen frei, ob und welche Lehraufträge sie vergeben, so Ladwig.


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