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Frankfurt (Oder) lieber doch nicht?

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FU-Studierende verlassen nicht häufig Berlin, gibt es hier doch eigentlich alles, was das Herz begehrt. Unsere Autorin musst schmerzlich erfahren: Außerhalb der Großstadt lauert die Tristesse. Ihren Ausflug nach Frankfurt an der Oder bereute sie schnell. Von Hanna Sellheim

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In Frankfurt (Oder) kommt schnell Sehnsucht nach Berlin auf. Illustration: Jette Pfeiffer

 

Ich steige am Hauptbahnhof Frankfurt (Oder) aus. Das „Haupt“ hätte man sich sparen können, lässt sich dieser gottverlassene Ort doch ohnehin bloß durch diesen einen, tristen Bahnhof betreten. Und, wenigstens das, wieder verlassen. In der Straßenbahn, die seit DDR-Zeiten dieselbe ist, tuckere ich vorbei an Plattenbauten, die seit DDR-Zeiten dieselben sind.

Die Jogginghose scheint hier in Frankfurt zu einer Art informellem Dresscode zu gehören. Eine Männergruppe neben mir führt dazu schon um 11 Uhr morgens als passendes Accessoire einen Kasten „Frankfurter Pilsener“ mit sich  – Geruch und Etikett nach zu urteilen ein besonders erlesenes Gebräu.

Der Grund meiner Reise in die östlichste Stadt vor der Grenze: Eine Freundin wohnt hier. Wir laufen über eine trostlose Brücke nach Polen. Hier kann man billige Zigaretten und noch billigeren Schnaps kaufen. Aber auch das hilft nicht gegen das Gefühl von Leere, das einem beim Anblick der Oder überkommt, auf der wohl alljährlich gräuliche Eisschollen schippern. Ich versuche auf dem Rückweg mit letzter Mühe, dem eisigen Wind zu trotzen, der direkt aus Nowosibirsk zu wehen scheint.

Den Abend verbringen wir in genau der Bar, in der sich jene Menschen sammeln, die übers Wochenende nicht nach Berlin geflohen sind. Dafür hat man sich hier bemüht, Kreuzberger Schrammeligkeit zu imitieren. So wurden kurzerhand ein paar verlauste Sofas zusammengekarrt und IKEA-Teelichte auf die Tische geklatscht. Fast könnte man sich der Illusion hingeben. Doch dann wird man gewahr, dass im Fernseher an der Wand Pool-Billard läuft und die Karte geziert wird von Fotos der Getränke. Ich lasse eine Träne in meinen Moscow Mule tropfen und träume mich zurück in die Großstadt.


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